Kaufberatung



Lange haben wir uns Gedanken gemacht, wie man eine Kaufberatung für die B2-Baureihe am Sinnvollsten aufbauen könnte - gilt es doch, in Kombination

2 Karosserieformen (Limousine oder Coupé),
2 Motorenkonzepte (Benzin oder Diesel),
2 Antriebsarten (Front- und Allradantrieb) und nicht zuletzt auch
2 Motorbauformen (Vier- oder Fünfzylinder) abzudecken.

Allen gemein ist heutzutage eine Tatsache: auch die jüngsten B2, die heute noch existieren, sind an einem Punkt schlicht und einfach ein altes Auto.

Diese Tatsache sollte man sich als Neueinsteiger beim Klassikerkauf grundsätzlich immer vor Augen halten.

Wer sich mit dem Gedanken trägt, einnen Oldtimer anzuschaffen, wird sich (hoffentlich) bereits im Vorfeld
entsprechende Gedanken über die notwenigen Rahmenbedingungen wie Platz, Zeit, aber auch Geld gemacht haben;
und hat sich idealerweise auch bereits vorher umfassend informiert -
sei es im Freundes- oder Bekanntenkreis, bei einschlägigen Clubs oder auf Messen & Oldtimertreffen.

Es bedarf eines gewissen technischen Grundverständnisses, um einen Klassiker artgerecht am Leben & auf der Straße zu halten;
wer darüber genausowenig verfügt wie über ein gutgefülltes Portemonnaie, um anfallende Arbeiten in Auftrag geben zu können,
der wird mutmaßlich relativ schnell zum besten Freund lokaler Abschleppdienste werden.

"Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln - ein Auto braucht Liebe."
Walter Röhrl

Wer sich dessen bereits bewußt ist und nun über die modellspezifischen Schwachstellen Bescheid wissen will,
der kann die hier aufgeführten Punkte getrost überspringen und direkt zur Rubrik Schwachstellen gehen.

Allen Anderen sei geraten, die dort aufgeführten Punkte zu verinnerlichen und sie sich bei einer Besichtigung vor Augen zu halten.
Nur zu oft vernebelt der "Habenwill"-Reflex in Kombination mit der Aussicht auf ein vermeintliches Schnäppchen (ganz bestimmt sind noch andere Interessenten unterwegs !)
die Sicht auf so manche Ungereimtheit oder Schwachpunkte, die versuchen, am Rande der Wahrnehmung Beachtung zu finden,
aber von uns diese Chance nicht immer erhalten…


Grundlegendes

Eine generell nicht zu unterschätzende Schwachststelle sind die Zeitumstände für sogenannte Massenautos,
zu denen der B2 als Audi 80 oder Audi Coupé definitiv zu rechnen ist.

Fast die gesamte Baureihe hat eines gemein: sie mußte – wie so viele andere Massenmobile der 80er - durch ein tiefes Tal der Tränen gehen,
irgendwo zwischen Fähnchenhändler, Hinterhofwerkstatt und Autoverwertung.

Bevor die ersten Liebhaber kamen, handelte es sich hier fast durch die Bank um günstige Gebrauchtwagen,
millionenfach gebaut und tausendfach verschrottet, wenn die Reparatur den geringen Zeitwert zu überschreiten drohte;
oder der TÜV-Prüfer endgültig den Daumen senkte.

So verkamen die 80er häufig zu lieblos zerschundenen Fahranfänger- oder Winterautos,
die Coupés (vor allem als Fünfzylinder) durchlebten ein Dasein als kaputtgetunter + verbastelter Porsche-Ersatz vor der Dorfdisco;
vieles, was den „quattro“-Schriftzug trug, bekam auf seine alten Tage eine Anhängerkupplung verpaßt - und nach 5 Salzwintern den Gnadenschuß.

Hohes Gewicht, aufwändige Reparaturen, hohe Strafsteuer ohne KAT und Super Plus – diese Kombination war in den 90ern so gar nicht gefragt.
Verglichen mit dem Neupreis, wurde damals so mancher frühe Quattro regelrecht verramscht.
Alte Kleinanzeigen sprechen hier eine deutliche Sprache…

Einzig der Sport quattro reifte -ohne große Umwege durch Niederungen- direkt von der Sportikone zum Klassiker in Sammlerhand.


Rahmenbedingungen

Auch wenn wir versuchen, sämtliche bekannten Mängel aufzulisten - diese müssen nicht zwingend auf jedes Fahrzeug zutreffen;
daher gilt es, zu differenzieren….

Je nachdem, wo ein Auto den Großteil seines blechernen Lebens verbracht hat und wie es dort behandelt wurde,
kann ein solcher Schwachstellen-Paß recht unterschiedlich ausfallen:

wurde das Fahrzeug einstmals in ein Land mit trockenen klimatischen Verhältnissen ausgeliefert ?
Bei den berühmten „California Cars“ kann kerngesundes Blech auf eine sonnengegerbte Innenausstattung + poröse Kunststoffteile treffen;
oft verbunden mit einer sorglosen Haltung zu regelmäßiger technischer Wartung, in einem Land ohne TÜV.

Hierzulande hat ein durchschnittlich behandelter Wagen dagegen ein meist „ordentliches“ Interieur + halbwegs gewartete Technik;
wenn auch manchmal nur, um die nächste HU zu überstehen.
Die Tatsache, daß bei uns Salz gestreut wird wie in kaum einem anderen europäischen Land, hat dafür dann meist das Blech stark in Mitleidenschaft gezogen.

Wurde der Wagen also womöglich in Gegenden gefahren, die im Winter viel Salz benötigten ?
Ein geringer Kilometerstand oder wenige Vorbesitzer sind erwiesenermaßen noch kein Garant für gesundes Blech.
Meist wird sich nicht mehr herausfinden lassen, in welche Region der Wagen erstausgeliefert wurde...

Handelt es sich um einen „Laternenparker“, dessen Innenraum langfristig schädlicher UV-Strahlung ausgesetzt war ?
Oder doch um einen Garagenwagen ?

Auch kann ein in einer schlecht belüfteten Einzelgarage feucht abgestellter Wagen mehr Rost & Gammel aufweisen
als unter gleichen Einsatzbedingungen in einer gut belüfteten Tiefgarage geparkt.


Vorbesitzer

Die B2-Baureihe hat teilweise noch nicht den komfortablen Status erreicht, in dem der Liebhaber vom Liebhaber kaufen kann.

Sicherlich gibt es mittlerweile ein große Anzahl restaurierter Fahrzeuge durch die Modellreihen hindurch,
wobei diejenigen mit Allrad und/oder Coupé-Karosserie aktuell noch überwiegen.

Diese Restaurierungen sind zu weiten Teilen neueren Datums - und die Fahrzeuge daher oft noch in der Hand desjenigen,
der sich womöglich einen lang gehegten Traum erfüllt oder sich seine Jungend zurück in die Garage geholt hat.

Mittelfristig kommen solche Autos eher selten auf den Markt; auch ist hier die Frage der Preisfindung sehr schwierig,
da sich eine aufwändige Komplettsanierung eines B2 momentan kaum lohnt.
Auch bei professionellen Restauratoren wird man maximal beim Stichwort Ur-Quattro fündig.

So ist ein weites Feld an Autos am Markt, die irgendwie die Zeitläufe überstanden haben.
Zustandstechnisch bewegen sie sich meistens im Bereich zwischen den Schulnoten 3 und 5, mit Tendenz zu letzterer…

Wer einen B2 über die Zeit gerettet hat, tat das nicht immer aus Überzeugung oder Liebe zu Modell, wobei auch das gelegentlich vorkam.

Vielmehr wurden sehr viele dieser Autos in den letzten Jahren von finanzschwachen Besitzern
und überforderten bzw. inkompetenten Werkstätten regelrecht kaputtrepariert, bis stellenweise gar nichts mehr ging – Endstation Kleinanzeige:

nicht fahrbereit
für Bastler kein Problem
Restarbeiten notwendig“ oder
muß noch eingetragen werden

Viele unserer IG-Mitglieder äußern sich immer wieder erstaunt & bestürzt zugleich,
wie gründlich (selbst bei den Werksniederlassungen) das Wissen um diese einst verbreiteten Modelle verschwunden ist.

So zerstören tatsächlich 10 von 10 Werkstätten mindestens eine Fensterkurbel beim Audi 80 VFL,
da niemand mehr weiß, wie diese korrekt zu demontieren ist.

Auch wird immer öfter berichtet, daß Werkstätten -in Zeiten von vorgegebenen Stundensätzen für Reparaturen-
Aufträge für Autos ablehnen, die älter als 7 Jahre sind.

Wenn beispielsweise ein Auspuffwechsel mit 35 Minuten/à 90 € + Material vorgegeben ist,
mag das im ersten Moment eine komfortable Kostensicherheit für den Kunden assoziieren.

Wenn aber nun ein zusammengerosteter oder mehrfach geflickter Auspuff unter´m Auto allein diese Zeit
für eine halbwegs sachgerechte Demontage benötigt, wird schnell klar, daß sich solche Arbeiten für die Werkstatt nicht lohnen,
wenn ein gründliches Erledigen des Auftrages dann eben eineinhalb Stunden beansprucht,
die der Kunde -nach obigem Kostenvoranschlag- sicher eher unwillig bezahlt.

Ergo muß eine rationell geführte Werkstatt, die nicht von einem idealistischen Altmeister geleitet wird,
solche Aufträge ablehnen – oder in der vorgegebenen Zeit gewaltig pfuschen.

Und das Ausmaß an Pfusch, über den viele Schrauber immer wieder berichten, ist teilweise kaum in Worte zu fassen.

Diese Situation bringt viele Besitzer dann dazu, selbst zu Werkzeug und „Jetzt helfe ich mir selbst“-Buch zu greifen,
was für manche Autos ein Segen ist, für andere ein Fluch – je nach Können, Anspruch und Budget des Schraubers.

Es wird sich -aller Wahrscheinlichkeit nach- weltweit kein einziger Typ 81/85 finden,
der sein gesamtes Autoleben lang von Beginn an bis heute kompetent gewartet & gepflegt wurde.

Und das ist ein weiterer Punkt, den man bei jeder Besichtigung mit Kaufabsicht im Hinterkopf behalten sollte…


Der "HartzIV-Oldtimer"

Mit dem Aufkommen der Oldtimerszene in den 90ern griff ein weiteres Phänomen nach den überlebenden B2:
stilbewußte Individualisten mit knappem Budget, aber dem Wunsch nach dem "eigenen Oldtimer" entdeckten die (noch gut verfügbaren)
Massenautos der frühen 80er Jahre als preiswerten Einstieg in die Klassikerszene,
bis es vielleicht irgendwann mal für einen "richtigen" Oldie reicht
- und sogar noch unterstützt durch das steuerbegünstigte H-Kennzeichen.

Denn fachgerechte Wartung und Pflege erfahren solche Autos in der Regel selten,
von langfristigen Maßnahmen zur Erhaltung (wie z.B. einer Hohlraumkonservierung) ganz zu schweigen.

Im Gegenteil, mit Stolz wird auf Treffen darüber berichtet, daß man seinen Oldie ja als "Daily Driver" nutze -
und dieser fabelhafte, robuste Wagen bisher nichts gebraucht habe - nicht mal einen Ölwechsel...

Wie weit her es mit der "Liebhaberei" in solchen Fällen ist, zeigt sich meist,
wenn die ersten ernsthafteren Reparaturen unumgänglich werden: Endstation Kleinanzeige - oder sogar Schrottplatz !

Autos aus solch fragwürdigem Vorbesitz finden sich auch beim B2 leider recht häufig - und prägten in der Szene den Begriff vom "HartzIV-Oldtimer".


Der „falsche“ Fan

Seit einigen Jahren ist zudem ein weiteres, unschönes Phänomen in der Szene zu beobachten:

bedingt durch den Preissprung, der beim Urquattro noch immer nicht vorbei zu sein scheint,
häufen sich die Schlachtungen eigentlich gut erhaltener B2-Modelle,
um die mit der Allradlegende identischen Einzelteile zu Höchstpreisen im Internet anzubieten.

Oft werden hierbei überdurchschnittlich gut erhaltene Coupés mit Vierzylindermotor oder Automatikgetriebe,
die die Tuning-Welle der 90er „dank“ ihres weniger gesuchten Antriebs überlebt haben, aller Teile oder Zubehör beraubt,
die man guten (oder auch weniger guten) Gewissens mit der Überschrift „RAR SELTEN URQUATTRO SPORT QUATTRO LÄNGST E.O.E.“ online anbieten kann.

Die gut erhaltene Rohkarosse wandert dann mit allen nicht unter "Quattro"-Überschrift zu Geld zu machenden Teilen meist ohne Umwege in die Schrottpresse.

Dieser Raubbau an historischer Substanz ist leider ein häßliches Phänomen im Rattenschwanz der Preisentwicklung der letzten Jahre.
So ergibt sich auch langfristig ein Zerrbild ehemaliger Zulassungsstatistiken,
wenn auf Treffen ein frühes Vierzylinder-Coupé plötzlich die absolute Rarität zwischen einem Dutzend Urquattros darstellt…

Ein ähnliches Phänomen ist das Aufkaufen ganzer Lagerbeständer von Ersatzteilen -natürlich ohne eigenen Bedarf-
um diese dann tröpfchenweise im Internet unter Überschriften wie "nicht mehr erhältlich"/"längst entfallen" anzupreisen,
welches einige gewerbliche und viele "halbprivate" Händler schon seit einiger Zeit betreiben.